Vom 25.-27.06.2021 fand auf der Rigi in der Zentralschweiz das diesjährige Gummiseil-Wochenende der Schweizer Oldtimer-Segelflieger statt. Mit dabei war auch Frank. Nachfolgend ein Erlebnisbericht:
Die K 8 steht startbereit am Gipfel der Rigi Kulm, allmählich kämpft sich die Sonne durch die noch tief hängenden Wolkenhaufen knapp unterhalb des Gipfels. Die hohe Feuchtigkeit in der Luft sorgt an diesem ersten Gummiseil-Flugtag für deutliche Verzögerungen im Startablauf. Erst jetzt nach der Mittagszeit tragen erste thermische Ablösungen die letzten Fetzen knapp über dem Boden den Hang hinauf bis über das Gipfelniveau in rund 1800 m/NN. Auch in den kleinen Windsack auf dem Dach der Remise nebenan kommt allmählich Bewegung, der Hangwind steht jetzt konstant mit zunehmender Stärke direkt auf der Nase.
Nachdem am Morgen bei der Verladung der Flugzeuge auf die Güterwagen der Rigi-Bahn in Vitznau der Gipfel noch in Wolken hing und auch die ersten – gefühlt etwas schwachen – Starts des Tages bei Windstille oberhalb der auflockernden Bewölkung stattfinden mussten sehen die Bedingungen nun deutlich besser aus um das schwerste Segelflugzeug an diesem Samstag vom Gipfelplatt mit Muskelkraft in die Luft zu bekommen. Im Cockpit arbeite ich konzentriert die Punkte der Checkliste ab, gehe den geplanten Start nochmal akribisch durch und bewerte die kritischen Parameter. Hier oben darf nichts schief gehen, sonst überlebt der Flieger die Aktion nicht am Stück: Im Falle eines verpatzten Starts bleibt nur die Chance auf einen Ringelpiez nach links hangaufwärts, bevor es ein paar hundert Meter senkrecht in die Tiefe geht – keine materialschonende Option aber im Zweifel quasi alternativlos!
Der Wind kommt nach wie vor direkt von vorn und an den beiden Seilsträngen vor mir stehen 20 Starthelfer parat für den Start. Daumen hoch – das Zeichen für Startleiter Marius Fink. In gewohnter Weise ertönen die bekannten Startkommandos: „Gummihunde, seid ihr bereit?“ – „Jawohl!“, „Seil ausziehen! – Laufen!“ Das Seil vor mir verschwindet Stück für Stück hinter der Kante der eigens auf dem Gipfel errichteten Startrampe und die Spannung steigt – sowohl im Seil als auch bei mir. Kurz bevor die Dehnungskontrolle 100% Seildehnung anzeigt, sitze ich mit voller Körperspannung im offenen Cockpit und warte auf das letzte Kommando unseres Startleiters: „Los!“ Unmittelbar nach dem Auslösen der Rückhalteklinke beschleunigt der Flieger mit deutlichem Sitzdruck auf Abhebegeschwindigkeit und ehe ich wirklich reagieren kann fällt die K 8 der Startrampe folgend etwas ballistisch in die Luft. Die noch im Seil gespeicherte Energie beschleunigt mich weiter und in knapp 10m Höhe löst sich das Seil wie vorgesehen vom Flugzeug – geschafft! Sicher abgehoben und genügend Luft unter den Flügeln.
Ich stabilisiere die Fahrt bei gut 70 km/h und leite über der Felswand an der Südflanke der Rigi eine erste Linkskurve ein, das Vario zeigt leichtes Steigen. In gewohnter Manier „achtere“ ich an der Hangkante entlang und blicke hinüber zur Startstelle. Die Gummihunde haben das Seil geschultert und sind auf dem Weg nach oben. Begleitet von den Blicken der rund hundert begeisterten Zuschauer am Berg versuche ich das schwache Aufwindfeld effizient zu nutzen, schaffe es aber nicht mehr die Startstelle zu überhöhen. Immerhin ist die Wolkenbasis nun schon fast auf Gipfelniveau angestiegen sodass ein Thermikflug möglich sein sollte. Nach rund zehn Minuten fliege ich von der Rigi nach Osten hin ab und quere das Tal bei Arth-Goldau am Zugersee und erreiche einen sonnenbeschienenen Südhang auf der gegenüberliegenden Talseite. Wie im Lehrbuch steigen hier immer wieder Warmluftblasen auf und lassen entlang des Grats satte Cumuli entstehen unter denen ich meine Höhe gut halten kann. Bei der Thermiksuche erweisen sich die zahlreichen Schweizer Flaggen als gute Orientierungshilfen: Dort wo die Flaggen stramm im Hangwind flattern löst zuverlässig der „Bart“ ab und trägt mich nach oben. Rund anderthalb Stunden genieße ich den Ausblick über die traumhafte Kulisse des Schweizer Mittellands und die Alpen bevor ich Kurs auf das eigens für das Event abgesteckte Landefeld am Ufer des Lauerzersee nehme. Der Anflug weit über den See erfordert nochmals Konzentration: Wenn ich im Anflug zu tief komme gehen wir baden, also lieber etwas Höhenreserve behalten und steiler anfliegen. Im Endanflug steht dann noch ein Baum im Weg den ich in einem eleganten Schlenker umfliege bevor die K 8 sanft aufsetzt. Glücklich und zufrieden steige ich aus dem Flugzeug aus und blicke zurück zum Gipfel der Rigi: Das ist die Magie des Segelfliegens! Teamgeist, Begeisterung, visionäre Ideen und Technik in Einklang mit der Natur – solche Erlebnisse lassen sich schlicht nicht in Worte packen, man muss dabei gewesen sein! Insgesamt wurden an diesem letzten Wochenende im Juni noch zehn weitere Starts durchgeführt, darunter auch der erste Start einer Frau von der Rigi: Ilayda Fink konnte am Sonntag mit der Moswey III ihren ersten Gummiseilstart vom Berg absolvieren.
Dass diese Veranstaltung überhaupt stattfinden konnte haben wir neben den zahlreichen Helfern und niedrigen Corona-Inzidenzen vor allem dem Organisatoren-Team um die „Stiftung Segel-Flug-Geschichte“ sowie der Oldtimer-Segelflug-Vereinigung Schweiz zu verdanken das lange im Vorfeld die nötigen Genehmigungen eingeholt hat und mit der Rigi-Bahnen AG einen großartigen Sponsor gewinnen konnten!